Verkehrssicherungspflicht für Bäume in Wald und Flur

Waldbesitzer und Eigentümer von landwirtschaftlichen Grundstücken stellen sich häufig die Frage, ob sie für Personen- und Sachschäden haften, wenn fremde Personen sich auf oder in der Nähe ihrer Grundstücke aufhalten.

Nach § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist derjenige, der das Rechtsgut eines anderen durch ein schuldhaftes Handeln oder Unterlassen verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Ein Unterfall dieser Haftungsnorm ist die Verletzung der sogenannten Verkehrssicherungspflicht.

Die Verkehrssicherungspflicht beruht auf dem Grundgedanken, dass jeder, der in seinem Einfluss- und Herrschaftsbereich, z.B. auf seinem Grundstück, eine Gefahrenlage schafft oder andauern lässt, eine Schädigung anderer tunlichst abzuwenden hat. Unterlässt ein Grundstückseigentümer in vorwerfbarer Weise Schutzmaßnahmen, die den Schaden abwenden können, haftet er demnach auf Schadensersatz. Verkehrssicherungspflichtig ist – ggf. neben dem Eigentümer – der Pächter eines Grundstücks.

Zu unterscheiden sind folgende Fallkonstellationen:

1. Verkehrssicherungspflicht für Bäume an öffentlichen Straßen
Grenzt ein Grundstück an eine öffentliche Straße, d.h. eine Straße oder einen Weg, die/der im Straßenverzeichnis der Straßenverwaltung oder im Bestandsverzeichnis der Gemeinde enthalten ist (Bundesstraße, Staatsstraße, Kreisstraße, Gemeindestraße, für den öffentlichen Verkehr ausgebauter Feld- und Waldweg), treffen den Grundstückseigentümer nach der ständigen Rechtsprechung im Fallbereich der Straße (in einem ca. 30 Meter breiten Streifen) die gleichen Verkehrssicherungspflichten wie den Straßenbaulastträger. Dies bedeutet, dass die äußere Gesundheit und Standsicherheit der Bäume zweimal jährlich von einer Person mit entsprechenden Fachkenntnissen überprüft werden muss. Ergeben sich danach Anhaltspunkte für eine erhöhte Gefahr, müssen die betreffenden Bäume im Zweifel entfernt werden.

2. Verkehrssicherungspflicht an Wald- und Flurwegen und außerhalb der Wege
Sonstige Wald- und Flurwege, die öffentlich zugänglich sind, unterliegen einer verminderten Verkehrssicherungspflicht. Dies hängt damit zusammen, dass der Grundeigentümer nach § 14 Waldgesetz bzw. § 56 Bundesnaturschutzgesetz das Betreten des Waldes und der freien Landschaft grundsätzlich dulden muss. Deshalb erfolgt das Betreten nach dem Gesetzestext ausdrücklich „auf eigene Gefahr“. Gleichwohl wird der Grundeigentümer nicht völlig von der Verkehrssicherungspflicht freigestellt. Nach der herrschenden Meinung in der Jurisprudenz muss der Grundstückseigentümer keine besonderen Vorkehrungen gegen typische Gefahren in der freien Landschaft treffen:

  • Verläuft auf dem Grundstück ein Weg, muss der Grundeigentümer nur auf Gefahren hinweisen, mit denen ein Benutzer trotz gebotener Vorsicht nicht rechnen kann (z.B. geschlossene Wegeschranke nach Kurve auf einem Weg, der regelmäßig von Radfahrern benutzt wird). Mit typischen Gefahren wie Verschmutzung, Unebenheiten, Schlaglöchern, Fahrrinnen etc. muss der Benutzer rechnen.
  • Vorsicht ist geboten bei Kunstbauten, die Bestandteil des Weges sind (Brücken, Stützmauern etc.). Rechtlich unklar ist die Haftung, wenn das Bauteil schadhaft ist (z.B. fehlende Bohle bei einer Brücke).
  • Für am Weg stehende Bäume besteht, ebenso wie für Bäume abseits von Wegen, grundsätzlich keine Pflicht, die Benutzer vor waldtypischen Gefahren zu schützen (z.B. Instabilität durch Wildverbiss – Biber! -, Totholz, Windbruch).
  • Sonstige Gefahrenherde in der freien Landschaft (z.B. aufgelassene Gruben, Höhlen etc) sind nur dann zu sichern oder zu kennzeichnen, wenn sich eine Gefährdung Dritter jeden Beobachter aufdrängt.
  • Hat der Grundstückseigentümer selbst den Verkehr für ein Gebäude oder Bauteil auf seinem Grundstück eröffnet (z.B. Beobachtungskanzel), trifft ihn hingegen die volle Verkehrssicherungspflicht (regelmäßige Kontrolle der Einrichtung).